61,3 Prozent der weltweiten Speisefischbestände sind laut FAO, der Welternährungsorganisation, bis an die Grenze genutzt; 28,8 Prozent sind bereits überfischt oder erschöpft. Andere Studien gehen sogar von einer noch höheren Belastung der Fischbestände aus 1. Die hochtechnisierten Fangflotten mit unverantwortlich hohen Fangquoten und die schwierige Kontrolle bestehender Auflagen sind maßgeblich an diesem Raubbau schuld. Nur drastische Schutzmaßnahmen können verhindern, dass der Fischbestand komplett zu kollabieren droht.
Die EU ist neben anderen Ländern (wie z. B. Russland, China) an diesem Zustand maßgeblich beteiligt. Ihre aufgeblähten Fangflotten steuern vermehrt die Gewässer vor Afrikas Küsten an, nachdem die europäischen Gewässer nur noch wenig hergeben, und räumen jetzt dort die Meere leer. Dies ist ihnen legal möglich durch die Fischereiabkommen der EU mit einzelnen afrikanischen Ländern. Diese Fischereiabkommen bedeuten in der Regel Zahlungen der EU an die afrikanischen Länder. Damit wird den bereits mit Steuergeldern subventionierten europäischen Fischfangflotten ermöglicht, vor Afrikas Küsten zu fischen und eigene Überkapazitäten abzubauen. Ebenso muss leider festgehalten werden, dass die Zustimmung afrikanischer Regierungen zu diesen für die eigene Bevölkerung nachteiligen Abkommen aufgrund von Korruption zustande kommt 2. Aber ebenso werden auch immer wieder illegale Beutezüge registriert, eben auch von EU-Mitgliedsländern. Die Strafen für diese Betreiber sind bislang lächerlich gering, so dass sich diese illegalen Beutezüge lohnen.
Bittere Konsequenz: Es kommt immer weniger Fisch auf den Tisch der einfachen Leute; alternative verfügbare Eiweißquellen stehen meist nicht zur Verfügung. Die somit fehlende Ernährungssicherheit und der Wegfall von Arbeitsplätzen auf dem heimischen Fischmarkt zerstören die Lebensgrundlage vieler Familien. Den Menschen bleibt oft nur die lebensgefährliche Flucht nach Europa.
Neben diesen direkten Folgen für die Menschen in den betroffenen Ländern sind natürlich auch die Folgen der Überfischung dramatisch: Rückgang der Bestände, Artenschwund und -verlust, Zerstörung der Meeresböden durch Grundnetzfischerei und dadurch Zerstörung von Lebensräumen von vielen Meeresbewohnern. Dies ist ein großer Eingriff in die ökologischen Kreislaufsysteme mit nicht voraussehbaren Folgen.
Für eine nachhaltige und ökologische Bewirtschaftung der Fischbestände sind weltweite Schutzregeln und die lückenlose und strikte Überwachung der Einhaltung unumgänglich. Freiwillige Richtlinien helfen hier gar nicht, denn kurzfristige Gewinne sind im vorherrschenden Wirtschaftssystem wichtiger als langfristiges Denken. Denn die Überfischung zerstört ja nicht nur die Fischwirtschaft z. B. im Senegal und die Ökologie der Meere, sondern auch die Zukunft der europäischen Fischereiflotten. Die Erträge aus dem Fang wildlebender Meeresfische sind nämlich schon lange rückläufig.
Ein erster richtiger Schritt auf diesem Weg ist zum Beispiel die „Reformierte Gemeinsame Fischereipolitik“ der EU, die im Dezember 2013 vom europäischen Parlament verabschiedet wurde und am 1.1.2014 in Kraft trat. Viele Punkte dieser Reform sind absolut beachtenswert und durchaus geeignet die Bestände der EU-Fischfanggebiete zu stabilisieren, zu erhöhen und damit langfristig zu sichern 3. Wesentliche Punkte dieser Reform sind z. B.: Reduzierung der Fangkapazitäten, Einrichtung von Schutzgebieten, Anlandung von Beifang und dessen Anrechnung auf die Fangquoten. Weiter werden auch ökologischere Fangtechniken formuliert. Aber - großer Haken - es fehlt leider an der Umsetzung in den EU-Mitgliedsstaaten. Diese Regelung ist damit nur ein zahnloser Papiertiger!
In diesem Zusammenhang muss auch die vermeintliche Alternative der Aquakultur kritisch beleuchtet werden. Fisch aus Aquakultur muss strengen ökologischen Kriterien genügen. Dazu zählt, dass eigentlich nur Fisch von pflanzenfressenden Fischarten sinnvoll in Aquakultur zu halten ist. Fischfressende Arten wie z. B. der Lachs führen zu noch mehr Überfischung (Verfütterung von Fischmehl). Die Ausbreitung von Krankheiten und der massive Einsatz von Antibiotika ist ein weiterer ungünstiger Aspekt der Aquakultur. Deswegen muss auch die EU-Fischereipolitik diesbezüglich Bestimmungen enthalten.
Ebenso müssen die Fischereiabkommen der EU mit anderen Ländern, hier insbesondere mit afrikanischen, überprüft und neugestaltet werden. Kriterien dafür:
Wir fordern deswegen die Bundesregierung auf, ihren Einfluss in der EU-Fischereipolitik geltend zu machen, um ethischen und ökologischen Zielen in diesem Bereich zum Durchbruch zu verhelfen. Denn eine weitsichtige, weise Politik verhindert größere Folgekosten in der Zukunft wie z. B. den weitgehenden Wegfall der Ernährungssicherung durch Meeresnahrung und die daraus resultierenden Fluchtbewegungen.
Als mündige BürgerInnen beobachten und bewerten wir aber ebenso die Leitsätze der Parteien. Sind diese geeignet, ein gutes Leben für alle Menschen zu ermöglichen und die Umwelt zu respektieren? Wie agieren sie konkret in der Fischereipolitik? Sind sie evtl. gern gesehene Ansprechpartner der Fischereilobby? Als wählbar scheiden damit nach genauer Prüfung doch einige Parteien aus!
Fisch zu essen, der aus gefährdeten Beständen gefangen wurde, macht keine Freude. Fisch zu essen, der kleinen Fischern in Afrika vor der Nase weggefangen wurde, bereitet keinen Genuss. Fisch zu essen, bei dessen Fang unzähliger Beifang halbtot oder tot über Bord gekippt wird, ist ebenfalls eine äußerst unangenehme Vorstellung! Machen wir uns eine Freude, indem wir keinen oder wenig Fisch essen, diesen aber gezielt aussuchen. Der neu aktualisierte (Januar 2016) Einkaufsratgeber von greenpeace hilft dabei 5.
Da eine Kennzeichnung der Ware nach Herkunft, Fangmethode und Bestandsgefährdung ebenfalls bewusstes Einkaufen erleichtert, fordern wir natürlich eine Pflicht zur Kennzeichnung. Kritische VerbraucherInnen haben eine Macht, wenn sie zahlreich sind! Deswegen dürfen wir unsere Freunde und Freundinnen, unsere Verwandten und Bekannten, unsere ArbeitskollegInnen auch hin und wieder informieren mit Wissen und guter Laune!
Weitere Informationen:
Literaturhinweise:
1 http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2016-01/ueberfischung-bedrohung-arten-fehler-angaben - abgefragt am 12.2.2016
2 http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-03/fischereipolitik - abgefragt am 12.2.2016
3 https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/meeresundkuestenschutz/downloads/Berichte-und-Positionspapiere/GFP-Reform-aus-Sicht-des-Meeresnaturschutzes-barrierefrei.pdf - abgefragt am 12.2.2016
4 https://www.lobbycontrol.de/2010/08/seitenwechsel-der-eu-kommissarinnen-folge-3/ - abgefragt am 13.2.2016